Wie beeinflussen Pornos meine Sexualität?“, „Sollte ich mir Sorgen machen, ob ich pornosüchtig bin?“, „Wo liegt da schon die Grenze?“, „Äh, wie bin ich jetzt schon wieder auf PornHub gelandet?“, „Ach, eigentlich ist es doch vor allem eine schöne Qualitytime mit mir selbst!“

Wenn das Thema Pornokonsum aufkommt, spüre ich, wie viele Menschen das Thema Pornosucht wie einen großen, zähen Kaugummi mit sich herumkauen.

Falls du dich in solchen Unsicherheiten wiedererkennst, möchte ich dir mit diesem Artikel ein Angebot machen. Das Angebot, dir deine Antworten auf solche Fragen selbst zu geben. Ich will dir erklären, warum ich das für eine gute Idee halte.

Sucht als Diagnose

Wir sind es gewohnt, beim Wort Sucht an eine klinische Krankheit zu denken. Mit dieser Krankheit gehen wir zu Ärzt*innen und Therapeut*innen, lassen uns von ihnen eine Diagnose stellen und dann entsprechende Medikamente oder Therapie verschreiben.

Und das können wichtige und wirksame Schritte sein. Besonders dann, wenn dein Konsumverhalten dich oder andere in Gefahr bringt: Fällt es dir schwer, noch einen geregelten Alltag zu führen? Ringst du mit Handlungsimpulsen, die anderen Menschen schaden könnten?

In solchen Fällen, bitte verlasse dich nie alleine auf einen Beitrag wie diesen hier aus dem Internet. Suche dir eine*n Ärzt*in oder eine*n Therapeut*in – sie sind dafür da, dich zu unterstützen!

Unsicherheit macht Stillstand

Doch viele Pornokonsument*innen erleben ihren Konsum gar nicht als unkontrollierbare Abhängigkeit mit brisantriskanten Folgen. Oft sind da einfach Unsicherheiten in der eigenen Sexualität oder verdächtig voreilige Entscheidungen, sich jetzt an den Laptop zu setzen.

Wenn dir dein Verhältnis zur Pornografie vor allem dieser zähe Kaugummi aus Unklarheit ist, spür doch mal unvoreingenommen in die Pros und Kontras: Tun Pornos dir gut? Bist du pornosüchtig?

Ich kann mir vorstellen, was da in Summe bei dir entsteht, ist ein Cocktail aus Genuss und Freude an deiner Sexualität auf der einen Seite – und aus Scham, Widersprüchen und Unklarheiten auf der anderen Seite.

Ein Bauchgefühl, dass irgendetwas nicht stimmt – und gleichzeitig doch nichts, was eine Veränderung in Gang bringt.

Und ich schätze, dass diese Ambivalenz dir deinen Umgang mit dem Thema Pornografie zusätzlich erschwert. Denn, klar: Wo stehst du überhaupt? Und wohin soll es gehen? Wenn es darauf keine Antworten gibt, wie sollst du auch in Bewegung kommen?

Finde deine Antworten

Es kann jetzt ein wertvoller Schritt für dich sein, deine ganz eigenen Antworten auf diese Fragen zu finden.

Denn was eine Sucht dir nimmt, ist ja gerade deine unbedingte Selbstbestimmheit: Du tust etwas, von dem du dir eigentlich unsicher bist, ob es dir gut tut. Halb bewusst, halb automatisch.

Indem du für dich selbst Wahrheiten findest und Entscheidungen triffst, holst du dir diese Selbstbestimmtheit zurück.

Das können dir Texte wie dieser hier oder Antworten von Therapeut*innen, Coaches und youTube-Videos nur bedingt abnehmen.

„Pornosucht“ als selbstbestimmtes Label

Probier es doch mal mit folgendem Gedankenspiel: Was, wenn du das Wort Pornosucht nicht mehr als schicksalsträchtiges Ja oder Nein, Wahr oder Falsch verstehst?

Wenn du das Wort Sucht stattdessen als ein Label verwendest, das du dir selbst wahlweise zuschreiben oder absprechen kannst? Und zwar ganz frei und selbstbestimmt.

Was passiert zum Beispiel, wenn du dich mal weigerst, aus deinem Genuss ein Problem zu machen? Wenn du dir deine Vorlieben und deine Masturbationsgewohnheiten mal genau so erlaubst und sie liebst, wie sie sind?

Was verändert sich, wenn du dir keine Gedanken mehr darüber machen musst, ob du jetzt „richtig“ oder „falsch“ bist? Wenn dein Yogi-Tee dir schon morgens zuflüstert: „Folge deiner Lust!“?

Und ein andermal schlägst du vielleicht genau den entgegengesetzten Weg ein. Was verändert sich in deinem Umgang, wenn du mal klar benennst, dass du pornosüchtig bist? Wie wirst du wohl mit Impulsen umgehen, von denen du für dich klar vor Augen hast, dass sie dir nicht gut tun?

Wenn du nicht mehr zweifelnd abwägen musst, ob Unzufriedenheiten nicht doch woanders herkommen? Wenn du das Thema Sucht recherchieren und dabei sämtliche Informationen auf dich beziehen und damit arbeiten kannst?

Es geht da nicht um richtig oder falsch, sondern darum, was dich unterstützt. Der*die einzige, dem*der du dabei zur Aufrichtigkeit verpflichtet bist, bist du selbst.

Starr oder flexibel Labeln

Mit deinem Label kannst du eine strikte Linie fahren und es zu deiner klaren Orientierung nutzen. Das ist das, was die Menschen in der NoFap-Bewegung machen, wenn sie sich in den harten Entzug stürzen. Und das kann klappen.

Oder du kannst dir erlauben, Situationen immer wieder neu zu beurteilen und zu reflektieren. Dich fragend vorwärts zu begeben auf der Suche nach deiner ganz eigenen Haltung.

So kannst du zu unterscheiden lernen, in welchen Situationen dir Pornos gut tun – und in welchen nicht. Was für dich schädliches No-Go ist und was dir eine geliebte Ressource sein kann.

Du wirst beobachten können, was dir dabei hilft, Nein zu sagen. Und du wirst verstehen lernen, wo da ein Unterschied ist: Handeln aus Abhängigkeit und Handeln aus bewusster Selbstfürsorge.

Die Frage, ob du dich selbst als pornosüchtig bezeichnen würdest, ist dann einfach deine Leitfrage, die all die anderen Fragen anstößt.

So wirst du das Ganze in einem feineren Detail sehen können – mit jeder Erfahrung, die dir gut getan hat, die dir Sorgen bereitet hat, die dir neue Erkenntnisse gebracht hat.

Bis du mit deinem Verhältnis zur Pornografie mehr und mehr an einen Punkt gelangst, der sich für dich stimmig anfühlt.

Wichtig ist, dass du es bist, der*die hier dein Selbstbild maßgeblich mitbestimmt. Therapeut*innen oder Stimmen aus dem Internet sind eben alles nur Orientierungen, die du dir aussuchen und zu Hilfe nehmen kannst.

Aber im Kampf gegen eine Sucht geht es letzten Endes ja immer auch darum: die eigene Selbstbestimmung zurückzugewinnen, oder?